Umstrittenes Industriegebiet Nord
Abraumhalden als "Kulturlandschaft in Sandhorst" verkauft?
Aurich (gfa) – Seit Jahren kämpfen die Eheleute Christine und Manfred Korseska als direkte Anlieger gegen die Erweiterung des Industriegebietes Nord in Aurich. Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht der Bebauungsplan 284. Ein Stein des Anstoßes sind fünf Hügel, jeder bis zu zehn Meter hoch – kaum als "neue Kulturlandschaft in Sandhorst" zu betrachten. "Abraumhalden sind das", sagte Manfred Korseska Anfang Juni in einem Gespräch mit den in Aurich erscheinenden Ostfriesischen Nachrichten. Dabei geht es natürlich nicht nur allein um die Hügel, sondern um die weitere Gewerbeansiedlung in der angrenzenden Wohngegend.
Gegen den Bebauungsplan klagte das Ehepaar und erhielt erhielt im April 2015 vor dem Oberverwaltungsgericht Recht. Der Bebauungsplan 284 wurde in Teilen für unwirksam erklärt. Auf 16 Seiten begründet das Gericht diese Unwirksamkeit wegen "Vorabbindung des Rates". Kurz gefasst, ein Bebauungsplan ist unwirksam, wenn die planende Gemeinde im Vorfeld vertragliche Verpflichtungen eingeht und sich der Rat bei seiner Beschlussfassung davon leiten lässt.
Das rechtskräftige Urteil, gegen das keine Revision möglich ist, wirft nun allerlei Probleme auf. Im Bereich des nicht mehr gültigen Bebauungsplans befindet sich unter anderem eine Biogasanlage. Die müsste man nun stillegen lassen, sagen die Anwohner. Aurichs Stadtjurist sieht das anders. Schließlich hätten die Kläger nicht gegen die Baugenehmigung, sondern nur gegen den Bebauungsplan geklagt. Eine juristische Spitzfindigkeit, die außer Acht lässt, dass das OVG die Grundlage dieser Baugenehmigung kassiert hat.
GFA-Ratsmitglied Hans-Gerd Meyerholz hat inzwischen die Verwaltung wiederholt nach den rechtlichen Konsequenzen des Urteils gefragt. Doch diese antwortete bislang nur allgemein und eher ausweichend. Begründung: Es gibt keine konkreten Bauanträgen. Mittlerweile ist das anders. Es gibt Bauanträge, was Meyerholz nun zum Anlass genommen hat, seine Fragen nach den rechtlichen Konsequenzen des Urteils erneut zu stellen.
Unter anderem soll die Verwaltung erklären, ob die trotz der teilweisen Nichtigkeit des Bebauungsplanes 284 erteilten Baugenehmigungen Bestandsschutz genießen. Auch müsse geklärt werden, ob die neuen Bauanträge genehmigt werden können und falls ja, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen. Und – warum wurden bereits begonnene Baumaßnahmen gestoppt bzw. beantragte Erweiterungen von Bauvorhaben durch die Verwaltung untersagt?
Last but not least. Warum hat die Verwaltung bislang keinen neuen Bebauungsplan aufgestellt stellt und vom Rat beschließen lassen, um den rechtswidrigen Zustand zu beenden. Fragen die auch für den Enercon-Kindergarten von Bedeutung sind. Dieser liegt nämlich im nichtig erklärten Gebiet und soll erweitert werden.
Entscheidender ist allerdings eine weitere Frage von Meyerholz. Im OVG-Urteil wird ausgeführt, dass die Verwaltung rechtswidrige Verträge abgeschlossen habe – und das mit Kenntnis und Zustimmung des Rates. Da stellt sich auch dem Bürger die Frage, ob das Auricher Stadtparlament diese Verträge überhaupt kannte – und ob die Abgeordneten tatsächlich über deren Rechtswidrigkeit in Kenntnis gesetzt wurden.
Antworten erwartet Meyerholz vom Bürgermeister auf der Ratssitzung am 3. März; zu diesem Zweck hat er die Fragen nach § 16 der Geschäftsordnung des Rates gestellt.