Stellungnahme der GFA-Stadtratsfraktion zur Jahresrechnung 2014 in der Sitzung des Stadtrates am 10.12.2015
(Rede der Fraktionsvorsitzenden Sigrid Griesel – es gilt das gesprochene Wort-)
Frau Vorsitzende, Herr Bürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren,
aufgrund der geführten Diskussionen um den Haushalt 2014 kann ich heute feststellen, das sich die Annahmen unserer Fraktion in den wesentlichen Punkten bestätigt haben. Das die Bewertung der Finanzlage je nach politischer Sichtweise unterschiedlich ausfällt, dürfte keinen hier im Hause wirklich überraschen. Anders als andere dies sicherlich gleich noch tun werden, beschränke ich mich allein auf die Bewertung unumstößlicher Fakten.
Es hilft ja auch alles nichts, soweit sind wir uns sicher einig. Jetzt kann es also nur noch darum gehen, andere Wege zu beschreiten. Und hier ist das eigentliche Problem, denn zunächst muss die Einsicht her, das sich etwas ändern muss. Und hier habe ich aufgrund mancher schon im Vorfeld gemachten Aussagen begründete Zweifel, das wir schon alle soweit sind.
Die Faktenlage:
- Unterdeckung Kernhaushalt
- Vermehrte Kassenkredite (Dispo)
- Langfristige Verschuldung
Deshalb hier nur einige wenige Fakten, die aber geeignet sind, unsere Situation objektiv zu beschreiben und die im Übrigen aus dem Jahresabschluss auch hervorgehen:
Der Kernhaushalt hat 2014 ein Defizit in Höhe von rd. 7 Mio. € erwirtschaftet.
Nun kann man ja sagen, dass das aufgrund der bilanzierten Rücklagen alles andere als besorgniserregend ist. Dem würde ich zunächst einmal auch zustimmen, wenn nicht gleichzeitig unsere Liquidität einen Kassenkreditbedarf von rd. 20 Mio. € erforderlich machen würde.
Natürlich kann man sich damit beruhigen, dass wir ein hohes Vermögen haben. Die Ehrlichkeit gebietet es aber auch zu sagen, dass es sich hierbei überwiegend um Vermögenswerte handelt, die nicht veräußerbar sind, wie z.B. unsere Straßen, Brücken, Friedhöfe, Schulen und Feuerwehrhäuser ….die Liste ist lang. Deshalb ist es auch müßig, sich hier mit einem Unternehmen zu vergleichen, wo Eigenkapitalquoten und Cash-flows eine Rolle spielen.
Sprudelnde Geldquellen waren gestern
Auch kann man die Schulden in „gute“ und „schlechte“ unterteilen. Das alles interessiert die Bürger aber nicht, wenn das Geld für nötige Sanierungen von Schulen, Straßen und Kanälen fehlt.
In Wirklichkeit dienen solche Diskussionen auch nur dazu, sich die Sache schönzureden. Irgendwann muss man einfach mal begreifen, dass die Kommune nur in wenigen Ausnahmefällen und in einem verschwindet geringen Teil ihrer Aufgaben tatsächlich mit einem Unternehmen verglichen werden kann! Und das gilt im Übrigen dann auch für die Bilanzen, sofern man keine relativierende Analyse vornimmt.
Bleiben wir also bei den tatsächlich für eine Kommune maßgeblichen Faktoren, wie z.B. Unterdeckung des Kernhaushaltes, Kassenkredite und langfristige Verschuldung.
Zwar kann die Unterdeckung im Jahre 2014 aufgefangen werden, jedoch ist sie als Alarmsignal zu verstehen.
Denn wenn sich nicht die Einnahmen wesentlich erhöhen, wird diese Unterdeckung natürlich kontinuierlich ansteigen, allein wegen Kostensteigerungen im Personal- und Sachkostenbereich und aufgrund der nun folgenden Abschreibungen für unsere Großprojekte, die selbst die Verwaltung zwischenzeitlich mit rd. 2 Mio. € beziffert. Und das können unsere Steuer- und Gebührenanhebungen allein nicht auffangen. Wenn also eine erhebliche Einnahmeerhöhung bei den Gewerbesteuern ausbleibt und dafür gibt es seit Jahren deutliche Anhaltspunkte, brauchen wir schon kurzfristig erhebliche Konsolidierungserfolge.
Es wird richtig eng
Unsere langfristigen Schulden sind im Jahre 2014 um 22,4 Mio. € angestiegen. Zum Glück profitieren wir von den derzeit sehr niedrigen Zinssätzen. Dennoch ist davon auszugehen, dass wir in den nächsten Jahren Investitionen ohne Kreditaufnahmen nicht mehr vornehmen können. Die Verwaltung hat im Rahmen des Haushaltes 2015 schon aufgezeigt, dass sie hier bis zum Jahre 2018 mit rd. 33. Mio. € zusätzlichen Krediten rechnet. Dann liegen wir mit unserer langfristigen Verschuldung bei etwa 56 Mio. € und ich habe die Rückstellungen, die ja auch Verbindlichkeiten sind, hier nicht einmal eingerechnet, sonst würde die 100-Mio.-Grenze überschritten. Besorgniserregend ist aber, dass wir unseren Schuldenstand dann auf Dauer jedes Jahr erhöhen werden.
Diese langfristigen Verbindlichkeiten, die man sich natürlich bei Gegenüberstellung unseres Vermögens „schön rechnen kann“ (ich erinnere hier an die Nicht-Veräußerbarkeit), werden uns aber in Zukunft noch manche Probleme bereiten.
Unverblümte Realitäten
Neben diesen langfristigen Schulden sind aber die Kassenkredite der Kern der kommunalen Finanzkrise. Denn diese geben die Realität unverblümt wieder. Sie haben keinen anderen Zweck, als zur Liquiditätssicherung zu dienen. Und genau sie sind damit auch das Symbol der zunehmenden Handlungsunfähigkeit der Kommunen.
An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass wir noch Ende des Jahres 2013 liquide Mittel in Höhe von 64,5 Mio. € hatten, es am Ende des Jahres 2014 nur noch 13,8 Mio. € sind.
Die Verringerung der Liquidität von rd. 50 Mio. € hat dann auch dazu geführt, dass die Stadt auf Kassenkredite zurückgreifen muss, um ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.
Und wer sich nun unbedingt mit einem wirtschaftlichen Unternehmen vergleichen will, der muss sich auch die Frage beantworten, wie ein Unternehmen wohl zu bewerten ist, das seine Personalkosten über Dispokredite finanzieren muss, weil die Liquidität fehlt. Sicher eine interessante Diskussion.
Zurück zu unseren Kommunalfinanzen
Mit steigenden Kassenkrediten wird aber auch der Raum für Investitionskredite und damit der Raum für die Instandhaltung von Straßen, Schulgebäuden und sonstiger städt. Infrastruktur immer enger. Hier möchte ich nur an die Diskussion hinsichtlich des bestehenden Sanierungsstaus an unserem Kanalnetz erinnern. Und hier sind wir eigentlich besonders in der Pflicht, weil unsere Bürger über ihre Abwassergebühren schon in Vorleistung getreten sind. Deshalb hätte ich mir in der Jahresrechnung auch die Ausweisung von erheblichen Rückstellungen für diesen Bereich gewünscht, das wäre der Realität angemessen gewesen, hätte aber, das gebe ich zu, das Ergebnis noch verschlechtert.
Unsere Fraktion hat in den Haushaltsberatungen der letzten Jahre schon auf die aktuellen und die noch kommenden Probleme, auch im Bereich der Gewerbesteuer hingewiesen und deshalb auch dafür gekämpft, weitere Großprojekte, wie z.B. das EEZ und die Stadtwerke nicht zu realisieren.
Ich betone an dieser Stelle nochmals, dass wir keine Hellseher sind, damit hat das auch nichts zu tun. Wir akzeptieren nur die Realität und die tatsächlich vorhandenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und ziehen daraus unsere Schlüsse – aus allein fachlicher Sicht. Erst danach kommt bei uns die politische Bewertung. Bisher haben wir in unserer Einschätzung eine „Punktlandung“ hingelegt. Wir können uns dennoch nicht darüber freuen, denn unserer Beurteilung nach gibt es derzeit noch wesentlich mehr Schatten als Licht.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, wie z.B. die aktuelle aber nicht vorhersehbare VW-Krise, die dagegen aber lange bekannte Änderung des EEG-Gesetzes ab 2017 sowie auch die schon relativ lang anhaltende Niedrigzinsphase werden natürlich Auswirkungen auf unseren Haushalt im Bereich mindestens der Gewerbesteuer und der Einkommensteueranteile haben. Darauf kann und muss man sich dann aber auch schnell einstellen – und genau das würde eine Unternehmensleitung auch tun!
Aber der erste Schritt ist immer die gründliche Analyse und die Akzeptanz der Realität – ich sagte das bereits eingangs! Wenn ich mir aber genau an dieser Stelle Versäumnisse gestatte, werde ich auch keinen Handlungsbedarf sehen können.
GFA: Keine Zustimmung zum Jahresabschluss
Allein die Bewertung der heutigen Fakten: Defizitentwicklung, Liquidität und Kassenkredite und langfristige Verschuldung hat uns den Haushalt 2014 ablehnen lassen. Konsequent werden wir deshalb auch dem Jahresabschluss unsere Zustimmung verweigern.
Auch dem Bürgermeister werden wir keine Entlastung erteilen, denn nach unserer Auffassung, und darauf haben wir auch in der Vergangenheit wiederholt hingewiesen, wäre es eine seiner wichtigsten Aufgaben gewesen, die politischen Gremien eingehender auf die Folgen der von ihm allesamt vorbereiteten und sogar mit Nachdruck vertretenen Beschlüsse hinzuweisen.
Zwar erfolgt dies nun wesentlich offensiver, als noch vor drei Jahren, jedoch können die Folgewirkungen nun ja auch nicht mehr aufgehalten und verschwiegen werden, denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.
Und da selbst das Experiment „Stadtwerke“ noch immer weiterverfolgt wird, glauben wir auch nicht an eine echte Kehrtwendung. Deshalb könnte gerade eine Entlastung, sofern sie von uns mitgetragen würde, als Akzeptanz der bisherigen Finanzpolitik missverstanden werden.
Und genau hierzu wollen wir natürlich keinen Anlass geben!